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aviso 1 | 2018
SKIZZE UND IDEE
WERKSTATT
GENAU 50 JAHRE
später trafen sie sich auf Initiative der Stadt
Waischenfeld und mit dem enormen Arbeitseinsatz der ehe-
maligen Nürnberger Kulturreferentin Karla Fohrbeck wieder,
die ihre Beziehungen zu den Dichtern spielen ließ und als ver-
antwortliche Organisatorin die nötigen Fördergelder zusam-
men brachte sowie Programm, Ausstellung und Literaturweg
realisierte. 18 einstige Teilnehmer einer oder vieler Tagungen,
auch zwei Vertreter der jüngeren Literaturgeneration, Journa-
listen, Filmemacher und ein journalistischer »Zeitzeuge« von
1967 waren die Hauptakteure. Die Stimmung war, man kann
es nicht anders ausdrücken, am 14. und 15. Oktober 2017 –
zwischen dem Nachfolgegasthaus der einstigen Pulvermüh-
le, dem Fraunhofer-Forschungscampus, dem Stadtparkett
und der Burg mit ihrem »Steinernen Beutel«, dem Wahrzei-
chen der Stadt Waischenfeld – schier glänzend. Nur, dass die
eingeladenen Autoren und die Besucher bedauerten, nicht
alle Lesungen und Podien gleichzeitig besuchen zu können.
Doch war’s, sagte Jürgen Becker, der letzte Preisträger von
1967, so richtig – und zugleich sei es seltsam, sich selbst und
plötzlich und unverhofft als historisches Subjekt zu betrach-
ten. Keiner aus der ehemaligen Gruppe 47 und keiner der
Besucher dürfte unbeschenkt nachHause gefahren sein. Bald
30 Lesungen und Filmgespräche, Autoren »zum Anfassen«,
Podien, Gesprächsrunden und Ausstellung gehörten zum
Programmangebot.
Für ein paar Momente schimmerte wieder das auf, was –
neben allen literarischen Diskussionen und scharfen, auch
persönlich bedingten Flügelkämpfen – die Gruppe 47 meist
ausgezeichnet hat: die Begegnung im Zeichen der Freund-
schaft und des Fests, das damals sogar – stets am Ende der
Tagung – die Autorenbeine zum Tanzen brachte.
Nostalgie in gebrochenen Bildern
Ging es um nostalgische Aspekte? Dies war unvermeidbar,
doch diskutierten F.C. Delius, Ingrid Bachér, Hans Magnus
Enzensberger, Uwe Brandner und Barbara Frischmuth (umnur
einige wenige zu nennen) auf den Podien nicht nur die Frage,
was die Gruppe (vielleicht) war, sondern wie ihr Erbe (even-
tuell) weiterlebt. Wie sich Nostalgie, also gepflegte Erinne-
rung, und die politische und gesellschaftliche Zukunft be-
dingen, die ein Hauptthema dieser Tagung war: Man ahnte
es auf den Podien, in denen es diskursiv zum Teil bestimmt,
doch freundlich zur Sache ging. Eben deshalb hatte Karla
Fohrbeck mit Nora Bossong und Simon Strauss zwei Vertre-
ter der Gegenwartsliteratur zu Gast geladen, obwohl einem
links
Jürgen Becker liest.
darunter
Nora Bossong und Simon Strauss lesen im Zelt auf der Burg
Waischenfeld.
darunter
Besucher beim Betrachten der Ausstellung zur Gruppe 47.
unten
Fröhlicher Abschied von der Pulvermühle: Die Autoren Barbara
Frischmuth, Friedrich Christian Delius, Hermann Peter Piwitt und Walter
Hinderer.
rechte Seite
Ausstellung: Dichter zwischen links und rechts.
© Stefan Dörfler | Theresa Heyer | Karla Fohrbeck