|9 |
aviso 1 | 2018
SKIZZE UND IDEE
BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE
Juliane Pröll ist freie Journalistin. www.text-arbeit.com | kunsthandwerk-online.comoben
Gemälde auf der Justitia. Die personifizierte Gerechtigkeit befindet sich häufig
als Herrschertugend im Bildprogramm von Kaisern und Königen.
darunter
Gespann der Kutsche mit acht Pferden.
darunter
Der Restaurator Dr. Heinrich Piening mit einem Röntgenbild (links) aus der
vorhergehenden Untersuchung der Minerva.
unten
Dr. Heinrich Piening während der laufenden Untersuchung des Krönungswa-
gens Karls VII.
handenen Gemälde nicht zum bayerischen Herrscher passten. Eine
erneute Überarbeitung fand in den Jahren 1866 und 1867 statt. Die
Röntgenaufnahmen zeigten bereits Beschädigungen amHolz, auf wel-
chem das Bild aufgebracht ist. Es stellt sich also die Frage, wie gründ-
lich die Gemälde abgenommen wurden. Wurde ein neues Bild ange-
legt oder das Alte einfach übermalt? Zudem ist der Künstler, der die
Gemälde für den Krönungswagen Kaiser Karls VII. schuf, immer noch
unbekannt. Durch das Verfahren mit Infrarot könnte sich möglicher-
weise ein Hinweis auf dessen Identität ergeben.
DIE INFRAROTREFLEKTOGRAFIE WIRD
verwendet, umUnterzeich-
nungen aus Kohle oder Bleistift sowie Veränderungen im Farbauftrag
sichtbar zu machen. »Das Verfahren ist oberflächennah und funk-
tioniert nicht auf allen Materialien«, erläutert der Leiter der Holz-
restaurierung. »Wenn auf einem dunklen Untergrund etwas Helles
aufgetragen wurde, zeichnet sich das schlechter ab. Dunkle Vorzeich-
nungen auf hellem Untergrund dagegen, sind sehr gut zu sehen.« Um
die verschiedenen Schichten des Gemäldes sichtbar zu machen, wer-
den sogenannte Sperrfilter verwendet. Diese sehen wie durchsichtige
Linsen aus und werden vorne auf das Objektiv der Infrarotkamera
geschraubt. Der Name des Filters stammt von seiner Funktionsweise:
er sperrt Licht aus.
Die Untersuchung des Gemäldes mit dem Justitia-Motiv am Kutsch-
kasten beginnt mit einem 720 Nanometer-Filter. Das menschliche Auge
kann bis zu 780 Nanometer sehen. Der Vorgang ist einfach: Das Bild
der Göttin der Gerechtigkeit wird mit einer Rotlichtlampe bestrahlt
und die Kamera mit dem Filter darauf gerichtet. Über die Kamera wer-
den die Daten an den angeschlossenen Laptop mit aufgespieltem Bild-
programm gesendet. Der Apparat nimmt mehrere Fotos hintereinander
auf und erstellt daraus ein Gesamtbild. Mit Hilfe des Programmes kön-
nen die Aufnahmen mit unterschiedlichen Filtern abgespeichert und
übereinander gelegt werden. So sind die Unterschiede besser zusehen.
Der 720er Filter macht bereits einiges sichtbar, was dem bloßen Auge
verborgen bleibt: Kittungen sind zu erkennen und die Feinstruktur des
Gewandes hebt sich besser hervor. Der 760er-Filter bringt ein weiteres
Mikro-Geheimnis ans Tageslicht: Am erhobenen Arm der Justitia wird
eine Übermalung sichtbar. Anschließend kommt der 850-Nanometer-
Filter auf die Linse. Es zeigt sich: die Waagschale hebt sich deutlich ab –
sie wurde über die Figur gemalt.
EINE UNTERSCHRIFT WIRD
jedoch nicht sichtbar und auch vom alten
Bildprogramm ist nichts zu sehen. Der Künstler bleibt also vorerst
unbekannt. Eine wichtige Erkenntnis für den Restaurator ist jedoch,
dass das Bild nicht über einem älteren Gemälde aufgetragen ist. Auf
dem alten Bildträger, der Holzplatte, wurde das ursprüngliche Motiv
abgenommen und ein neues Bild gemalt.