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aviso 1 | 2018

SKIZZE UND IDEE

BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE

DIE GERÖNTGTE GÖTTIN DER GERECHTIGKEIT

WAS RESTAURATOREN IM MARSTALLMUSEUM AUF SCHLOSS NYMPHENBURG ENTDECKEN

Text:

Juliane Pröll

DIE PRUNKVOLLEN RÄDER,

die einst über

die Straßen Frankfurts zur Krönung Kaiser

Karls VII. im Jahr 1742 rollten, stehen seit Lan-

gem still. Vor Wind, Wetter und Verfall geschützt,

schmückt der Krönungswagen nun zusammen mit

weiteren Kutschen und Schlitten das Marstall­

museum auf Schloss Nymphenburg in München.

Dr. Heinrich Piening, der Leiter der Holzrestaurie-

rung, weiß, dass in den Kutschen viel mehr steckt,

als der äußerliche Anschein vermuten lässt. In Zu-

sammenarbeit mit einemTeam aus Restauratoren

hat er unter anderem den Neuen Prachtschlitten

von Ludwig II. restauriert. Im Zuge der Restaurie-

rungsarbeiten wurde das Gefährt auch geröntgt.

»Diese Fahrzeuge sind alle High-End-Produkte

ihrer Zeit gewesen«, erklärt Piening. »Die Kut-

schen sind relativ leichtgängig, obwohl das sehr

schwere Fahrzeuge sind und um die zweieinhalb

Tonnen wiegen.« Damit haben die barocken Ge-

fährte das Gewicht eines Kleintransporters. Doch

die Kutschen bergen noch andere Geheimnisse:

beispielsweise stellte sich heraus, dass Armteile

der Meerjungfrau des Neuen Prachtschlittens mit

Eisen verstärkt sind. Durch die Arme laufen Kabel,

welche die Krone mit Elektrizität versorgen. Im

Zuge dieser Untersuchungen hat sich der Restaura-

tor auch die Kutschgemälde näher angesehen. Beim

großen Galawagen stieß er dabei auf einen zweiten

Satz Bilder für den Kutschkasten. »Wir wollten

gerne wissen, ob diese kurzfristig tauschbar wa-

ren«, erläutert der Restaurator die Vorgehensweise.

»Wir fanden heraus, dass die Darstellungen auf

Kupfertafeln gemalt sind und in den Holzrahmen

eingeschraubt werden.« Das heißt, die Dekora­

tionsgemälde für die Kutsche konnten ausgetauscht

werden. Allerdings konnte bisher nicht festgestellt

werden, wie damals die Verblendung abgenom-

men wurde, um an die Füllung zu kommen. Es ist

jedoch sicher, dass der Satz einmal eingebaut war,

da an ihm Montagespuren sichtbar sind.

BEI DER UNTERSUCHUNG

des Krönungswa-

gens von Kaiser Karl VII. will Piening herausfin-

den, ob es sich um das Erst- oder Zweitgemälde

bei den Füllungen des Krönungswagens handelt.

Das Fahrzeug wurde damals gebraucht gekauft,

von Paris nach Frankfurt überführt und 1741 für

die Krönungsfeierlichkeiten renoviert, da die vor-

oben

Infrarotfotografie der Justitia am Krönungswagen (mit Filter im visuellen Bereich).

darunter

Infrarotfotografie der Justitia: Sichtbar werden u. a. ein leicht unterschiedlicher

Gesichtsausdruck, ein veränderter Faltenwurf, eine korrigierte Muskulatur des Oberarms sowie

Craquelées im Hintergrund bzw. im hölzernen Bildträger.