Hochschulen Bundesweiter Kongress für Hochschulinnovation als hochkarätige Denkfabrik
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Wissenschaftsminister Bernd Sibler (li.) mit Horst Nasko, Vorstand der Heinz Nixdorf Stiftung, (Mitte) und Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes (re.)
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Bei einem hochkarätig besetzten Kongress in München haben Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft Kernelemente eines zukunftsfähigen Hochschulsystems diskutiert. Dabei wurden wertvolle Impulse für bevorstehende politische Weichenstellungen gesetzt.
Eine hybride Zukunftswerkstatt für die Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems in Zeiten politischer Weichenstellungen: Beim Kongress für Hochschulinnovation diskutierten am 14. Juni 2021 führende Expertinnen und Experten aus Politik und Wissenschaft, aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Amerikahaus München und zeitgleich digital zentrale Thesen zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Hochschullandschaft. Ausgerichtet wurde die hochkarätig besetzte Veranstaltung, für die sich insgesamt mehr als 600 Interessierte angemeldet hatten, vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, der Heinz Nixdorf Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
Das Themenspektrum war breit: Wie steht es um den politischen Stellenwert von Wissenschaft und Forschung? Wie weitreichend sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Hochschulen? Wie können Hochschulen bestmöglich zur Lösung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen beitragen? Was sind die entscheidenden Lehren aus der Corona-Krise? Über diese und weitere Fragen debattierten Fachleute aus allen Bundesländern sowie der Bundesregierung intensiv. Dabei wurden Impulse gesetzt, die für die bevorstehenden politischen Rahmensetzungen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im Herbst sowie verschiedenen Landtagswahlen in diesem und dem kommenden Jahr besonders wertvoll sind.
Sibler: Idee einer Exzellenzinitiative für die Hochschulmedizin
Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler betonte bei dem bundesweiten Spitzentreffen: „Für ein leistungsfähiges Hochschulwesen sind insbesondere zwei Dinge von entscheidender Bedeutung: Eine kraftvolle öffentliche Finanzierung und ein Rechtsrahmen, der den einzelnen Hochschulen Flexibilität gibt, ihre Stärken zum Wohle aller auszuspielen. Mit der Hightech Agenda hat die Bayerische Landesregierung bereits 2019 dem Bereich Hochschulen und Forschung höchste politische Priorität gegeben und hier massiv investiert. Und mit dem neuen Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz wollen wir die rechtliche Grundlage für den wissenschaftlichen Erfolg unserer Hochschulen optimieren.“ Mit Blick auf die internationale Wahrnehmung der Spitzenforschung in Deutschland erklärte Sibler, es brauche weiterhin die „institutionellen Leistungslokomotiven“, also dauerhaft geförderte Exzellenzuniversitäten, am Beginn der Innovationskette. In diesem Zusammenhang könne er sich bei höchstem Qualitätsanspruch als „fairen Wettbewerbsraum“ 70 bis 75 Exzellenzcluster als eine künftige Obergrenze in der Exzellenzstrategie vorstellen. Zudem will Sibler die universitäre Spitzenmedizin verstärkt in den Blick nehmen und stellte die Idee einer Exzellenzinitiative für die Hochschulmedizin vor.
Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes, sah die Hochschulpolitik wie auch die Hochschulen selbst vor umfassenden Herausforderungen. Die Dynamik der Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft lässt seit vielen Jahren nach. Das zeigt sich beispielsweise am Anteil der Drittmittel aus der Wirtschaft, der im Jahr 2019 bei rund 17 Prozent aller Drittmittel an Hochschulen lag. Im Jahr 1999 waren es noch knapp 29 Prozent: „Deutschland braucht eine Dekade der Konzentration auf die Frage des Transfers. Wir brauchen eine Innovationsförderung, die sowohl technische und insbesondere digitale, aber auch nachhaltige und soziale Innovationen voranbringt. Voraussetzung dafür ist ein Ökosystem, das die Partner besser und effizienter miteinander verbindet. Der Stifterverband mit seinen Netzwerken in Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wäre für die Stärkung des Transfers ein sehr guter Partner“, sagte Barner.
Horst Nasko, Vorstand der Heinz Nixdorf Stiftung, wies mit Blick auf die Erfahrungen aus mehr als einem Jahr Pandemie auf die enormen Auswirkungen der rasant fortschreitenden Digitalisierung für die Hochschulen hin: „Digitalisierung prägt und verändert alle gesellschaftlichen Felder, und Hochschulen sind zugleich Treiber und Getriebene der Veränderung, das haben wir gerade jetzt durch die Corona-Krise gesehen. Die Digitalisierung wird die Hochschulen in den nächsten Jahren von Grund auf verändern.“
Auch Katja Becker, die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), beurteilte den Zeitpunkt des Kongresses als günstig: „Was wir mitnehmen können, ist, dass Wissenschaft jetzt in der Mitte der Gesellschaft steht, und wir damit ein unglaubliches Potenzial haben, die Wissenschaftsbasiertheit von Entscheidungen in Gesellschaft und Politik auch weiterhin voranzubringen.“ Einig waren sich viele Experten, dass das deutsche Hochschulsystem während der Corona-Krise weiter robust funktioniert und sich extrem schnell auf die neuen Bedingungen eingestellt hat. Die Hochschulen hätten in der Pandemie belegt, dass sie der ihnen übertragenen Verantwortung und Autonomie gerecht wurden. Die Hochschulen hätten geliefert, so Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich. Zur Frage der Innovation in Bezug auf Führung an den Hochschulen waren sich die Experten einig, dass diese institutionsspezifisch ausgestaltet sein müsse. Laut Prof. Dr. Rolf Tarrach Siegel, ehemaliger Präsident der European University Association, sollten Hochschulleitungen schnell, profiliert und risikofreundlich entscheiden können. Bei der Diskussion über das Spannungsfeld zwischen der Wissenschaftsfreiheit der einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Autonomie der Einrichtung wurde deutlich, dass die Institutionen zwar den Rahmen vorgeben, der Kern der Wissenschaftsfreiheit aber bei den Forschenden und Lehrenden liege.
Zeitnahe Umsetzung von innovativen Ideen gefordert
Celine Perrot, Honors Degree Studierende am Center for Digital Technologies and Management (CDTM), hob die Stärken des deutschen Hochschulsystems hervor: „Ein hervorstechendes Merkmal ist die Qualität, die es in der Breite gibt. In Deutschland sind nicht nur einzelne Leuchtturm-Hochschulen sehr gut in Forschung und Lehre. Vielmehr werden die Mittel so verteilt, dass das Niveau flächendeckend sehr hoch ist. Das ist im internationalen Vergleich wirklich etwas Besonderes. Dass es trotzdem einige Leuchttürme gibt, ist dennoch gut. Aber man weiß als Studentin, dass man überall eine sehr gute Ausbildung bekommt.“ Gute Lehre müsse einen höheren Anteil an der Reputation erhalten und förderlicher für die Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sein, waren sich die Expertinnen und Experten einig.
Auch bestand Konsens in der Annahme, dass die nur noch in Deutschland vorgenommene Unterscheidung in Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung gerade in den Ingenieurwissenschaften und den Life Sciences überholt sei und Methodenentwicklung und Translation immer mehr zusammengedacht werden müssten. Gerade in den Bereichen der Biotechnologie, der Künstlichen Intelligenz und der Quantentechnologien zeigten sich Erfolge, wenn in umfassenden Ökosystemen Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen und Start-ups mit Kommunen, Gesellschaft und Politik missionsgetrieben zusammenwirken.
Im Abschlusspanel wurde unterstrichen, dass viele innovative Ideen für ein zukunftsfähiges Hochschulsystem seit Längerem Gegenstand von Debatten sind. Diese sollten nun nicht länger diskutiert, sondern zeitnah umgesetzt werden.
Die Ergebnisse des Kongresses werden der Öffentlichkeit im Herbst durch eine Publikation des Bayerischen Instituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) in strukturierter Form zugänglich gemacht.
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Stand: 15. Juni 2021 / Bildnachweis: Andreas Gebert