Restitution „Restitution in Bayern ist gelebte Praxis – und eine Daueraufgabe“
Kunstminister Blume informierte Anfang Dezember im Bayerischen Landtag über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Restitution: 117 Fälle sind allein in den staatlichen Kunstmuseen abgeschlossen, bei 86 Prozent der Fälle wurde auf Restitution entschieden. Zudem wird ab 2025 eine gemeinsame Schiedsgerichtsbarkeit von Bund und Ländern eingerichtet.
„Restitution in Bayern ist gelebte Praxis – und eine Daueraufgabe: Es ist selbstverständlich, dass sich unsere staatlichen Museen proaktiv mit der Herkunft ihrer Bestände befassen. So konnten wir zuletzt 117 Fälle allein in den staatlichen Kunstmuseen abschließen. Bei 86 Prozent der Fälle konnte dabei ein Beschluss zur Restitution getroffen werden, knapp 140 Werke wurden bereits an die Nachfahren der Opfer der NS-Gewaltherrschaft zurückgegeben“, erklärte Kunstminister Markus Blume bei seinem Bericht in der gemeinsamen Sitzung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst des Bayerischen Landtags Anfang Dezember. Allein das Bayerische Nationalmuseum hat in den vergangenen Jahren 83 Silberobjekte aus den sog. Silberzwangsabgaben restituiert.
Derzeit gibt es noch 19 laufende Verfahren an den staatlichen Museen Bayerns. „Ganz aktuell haben wir in fünf Fällen auf Restitution entschieden: Von der spätgotischen religiösen Tafelmalerei aus dem 15. Jahrhundert bis hin zum impressionistischen Landschaftsaquarell aus dem frühen 20. Jahrhundert – insgesamt können wir hier 16 Werke restituieren. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und die Staatliche Graphische Sammlung sind durch proaktive Recherche auf die Fälle aufmerksam geworden“, so Blume. Alle Werke standen am 30. Januar 1933 im Eigentum von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern – unter ihnen Kunstliebhaber ebenso wie Kunsthändler. Die Praxis an unseren staatlichen Einrichtungen zeigt: Die weit überwiegende Mehrheit aller vergangenen Restitutionsfälle konnte ohne Einschaltung der Beratenden Kommission erfolgen.
Weiterentwicklung der Restitutionspraxis durch Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsgerichtsbarkeit
„Die Einrichtung einer Beratenden Kommission vor über 20 Jahren ist ein wichtiger Schritt für die Rückgabe von NS-Raubkunst, aber die Praxis hat gezeigt, dass an einer Weiterentwicklung kein Weg vorbeiführt“, so Blume. Mit der Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsgerichtsbarkeit durch Bund, Länder, Kommunen und Opfervertreter sei nun endlich ein nächster logischer Schritt erfolgt. „Die bisherige Restitutionspraxis war ungenügend! Mit der Schiedsgerichtsbarkeit wird die Restitution in Deutschland erstmals rechtssicher und rechtsverbindlich geregelt. Die Neuregelung bedeutet auch eine wesentliche Stärkung der Antragssteller: Dass der Zentralrat der Juden und die Jewish Claims Commission als gleichberechtigte Akteure neben Bund, Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden die Richter für das Schiedsgericht auswählen werden, ist ein wichtiges Signal an die Nachfahren der Opfer des NS-Regimes“, betonte Blume. Er machte deutlich, dass die Zeit drängt: „Klar ist: Wir dürfen in Sachen Restitution keine Zeit mehr verlieren. Bayern macht Tempo: Im November haben wir mit Beschluss des Ministerrats als erstes Bundesland die rechtlichen Grundlagen für die schnellstmögliche Einführung der Schiedsgerichtsbarkeit geschaffen. Unser Anspruch: Die Schiedsgerichte sollen noch im Jahr 2025 mit ihrer Arbeit beginnen können.“ Blume appellierte an den Bund, auch auf Seiten der Bundesregierung die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen.
Beim 21. Kulturpolitischen Spitzengespräch haben sich Bund, Länder und Kommunale Spitzenverbände im Oktober 2024 darauf geeinigt, die Beratende Kommission durch eine gemeinsame Schiedsgerichtsbarkeit abzulösen. Bayern hatte den Beschluss der Länderminister maßgeblich mitgestaltet und vorangetrieben. Das Schiedsrichterverzeichnis wird in einem gemeinsamen Verfahren zu gleichen Anteilen durch die beiden großen jüdischen Verbände in Deutschland (Zentralrat der Juden und Jewish Claims Conference) sowie durch Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände besetzt. Mit der Einrichtung des Schiedsgerichts wird eine wesentliche Stärkung der Antragsteller vollzogen. An die Stelle unverbindlicher Empfehlungen treten verbindliche Entscheidungen, die auf Basis eines differenzierten und verbindlichen Bewertungsrahmens transparent und nachvollziehbar getroffen werden. Die strittigen Restitutionsverfahren werden somit in einem deutlich verrechtlichten Rahmen innerhalb eines etablierten Streitschlichtungsverfahrens geklärt. Dieses kann künftig auch einseitig angerufen werden, wenn ein Vorverfahren zwischen der Einrichtung und den Antragsberechtigen erfolglos blieb. Der materielle Bewertungsrahmen wird nicht nur den Schiedsgerichten im Schiedsverfahren, sondern auch den kulturgutbewahrenden Einrichtungen als Entscheidungsgrundlage in Restitutionsfragen dienen, da die überwältigende Mehrzahl der Fälle unmittelbar in den Institutionen einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden kann. Blume betont abschließend: „Die vereinbarte Einführung der Schiedsgerichte auf Basis einer Verwaltungsvereinbarung markiert den Beginn des umfangreichen Reformvorhabens. Unser Ziel muss sein: Die Überführung der Verwaltungsvereinbarung in einen Staatsvertrag.“ Auch müsse eine gesetzliche Regelung für die Restitution von Werken in Privatbesitz gefunden werden.
Informationen zu den fünf aktuell entschiedenen Restitutionsfällen
- Gemälde „Die Vision des Heiligen Bernhard“ von Johann Koerbecke, zwischen 1450 und 1480, Öl auf Eichenholz, ehemalige Eigentümerin: Helene (Ellen) Sophie Funke (geb. Heintzmann)
- Gemälde „Die Musik“ von Albert Lang, 1892, Öl auf Leinwand, ehemalige Eigentümerin: Sofie Heilbronner (geb. Wipfheimer)
- Gemälde „Die Porte Saint Martin in Paris“ von Albert Schwendy, 1876, Öl auf Leinwand, ehemaliger Eigentümer: Rudolf Hofmann
- 11 Aquarelle aus dem „Prinzregentenzyklus“ und ein Aquarell „Motiv bei Oberbozen“ von Max Slevogt, 1909, Aquarell auf Papier, ehemalige Eigentümer: Gebrüder Lewin
- Gemälde „Bildnis eines jungen Mannes“ von Friedrich von Amerling, 1833, Öl auf Leinwand, ehemaliger Eigentümer: Jakob (Jacques) Rosenthal
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Stand: 04. Dezember 2024/ Bildnachweise: Axel König/StMWK; Steffen Böttcher (Porträt StM Blume)